Adolar fliegt in ein Space-Labyrinth – keine gute Idee, aber passt zum Thema dieser Folge
In einem großen Weltraum-Freizeitpark gibt es allerhand Attraktionen zu bestaunen. Eines ist ein riesiger, im All schwebender Kubus mit einem Labyrinth im Inneren. Adolar fliegt hinein – und findet nicht mehr heraus. Er verliert die Orientierung. Wie passend, denkt er sich, hat er sich doch gerade mit einem Thema beschäftigt, bei dem ihm auch die Orientierung fehlte: Fachbezeichnungen der Ethnologie.
Die Frage, der er in dieser Folge nachgeht, lautet: Sind Völkerkunde, Ethnologie und Anthropologie ein und dasselbe?
Völkerkunde und das koloniale Erbe
Die Völkerkunde als Wissenschaft entstand im 19. Jahrhundert. Möglich wurde dies vor allem durch die Kolonialzeit, in der es zu einer massiven Zunahme von Kontakten zwischen Europäern und lokalen Ethnien in den Kolonien kam. Entsprechend befasste sich die Völkerkunde primär mit der Erforschung außereuropäischer Gemeinschaften.
Der Begriff Völkerkunde spiegelt die damalige Sichtweise wider, dass Völker naturgegebene Einheiten seien, deren Mitglieder durch gemeinsame Abstammung und feste, kulturelle Merkmale verbunden sind.
Diese Sichtweise führte jedoch zu vereinfachten und oft sehr problematischen Schlussfolgerungen. Zudem lasteten die Folgen des Kolonialismus schwer auf dem ganzen Fach – was aber in dieser Folge nicht im Detail besprochen wird.
Heute wird der Begriff Völkerkunde kaum noch verwendet, ist jedoch noch in den Namen mancher Institutionen präsent. Einige ethnologische Museen heißen z.B. noch Völkerkundemuseen.
Nach der Völkerkunde kam die Ethnologie, von der es eigentlich zwei gibt
Der Name Ethnologie löste die Völkerkunde ab und markierte einen entscheidenden Wandel: Der Fokus verlagerte sich von Völkern hin zu Ethnien – sozialen Gruppen, die sich durch Selbstzuschreibung und gefühlte Zugehörigkeit definieren.
Die Umbenennung half der Disziplin, sich von ihrem kolonialen Erbe abzugrenzen. Gleichzeitig stärkte sie ihre Anschlussfähigkeit an die internationale Forschungsgemeinschaft.
Die Ethnologie untersuchte lange Zeit fast ausschließlich außereuropäische Kulturen, hat ihren Blick inzwischen jedoch auch auf europäische und globale Phänomene erweitert. Das führte zu der skurrilen Situation, dass es in Deutschland und Europa zwei Ethnologien gibt.
Ethnologie und Europäische Ethnologie: Zwei Ethnologien mit Abgrenzungsproblemen
Die Europäische Ethnologie ging aus der Volkskunde hervor. Während die Volkskunde sich traditionell mit Bräuchen und Traditionen in europäischen Gesellschaften beschäftigte, erweiterte die Europäische Ethnologie nach und nach ihren Fokus auf zeitgenössische Kulturen.
Es gibt also die Ethnologie und die Europäische Ethnologie. Beide arbeiten ethnografisch, machen Feldforschung, erforschen Ethnien – beide sogar innerhalb Europas – und widmen sich ähnlichen Forschungsthemen. Das macht die Abgrenzung beider Fächer schwierig.
Hinzu kommt, dass es, ähnlich wie bei der Ethnologie, auch bei der Europäischen Ethnologie unterschiedliche Namen für das Fach gibt: Neben Europäische Ethnologie sind auch Empirische Kulturwissenschaft oder Kulturanthropologie gebräuchlich.
Das ist einigermaßen skurril, weil natürlich auch die Ethnologie eine empirische Kulturwissenschaft ist und Kulturanthropologie sogar im Namen der deutschen Fachvereinigung der Ethnolog:innen steckt, die seit 2017 Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) heißt.
Und was ist mit der Anthropologie? Sie ist ein sehr weites Feld
Die Anthropologie ist ein Sammelbegriff, der sowohl geistes- und kulturwissenschaftliche als auch naturwissenschaftliche Ansätze umfasst. Während in Deutschland der Begriff oft mit Ethnologie gleichgesetzt wird (zumindest wenn von Sozialanthropologie oder Kulturanthropologie die Rede ist), bezieht sich Anthropologie in anderen Ländern, wie z.B. den USA, auf ein breiteres Spektrum, das auch Biologie, Linguistik oder Archäologie umfasst.
Sind Völkerkunde, Ethnologie, Anthropologie dasselbe? – es bleiben offene Fragen
Völkerkunde und Ethnologie auf der einen Seite, Volkskunde und Europäische Ethnologie auf der anderen Seite, dazu die Anthropologie und alternative Namen für beide Fächer – diese Vielfalt macht es schwierig, eindeutige Fachbezeichnungen zu finden.
Auch wundert sich Adolar, warum die Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie sich gegen den Namen Deutsche Gesellschaft für Ethnologie entschieden hat, obwohl doch Ethnologie viel gebräuchlicher ist? Adolar hat bei der DGSKA nachgefragt, eine Antwort blieb leider aus.
Adolars Aha-Moment in dieser Folge: Das Ding mit den Fachbezeichnungen ist kompliziert – funktioniert aber irgendwie trotzdem.
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Ethnologische Quellen in dieser Folge
· Welz, Gisela 2013: „Europa. Ein Kontinent – zwei Ethnologien?“. In: Thomas Bierschink, Matthias Krings, Carola Lentz (Hrsg.): Ethnologie im 21. Jahrhundert. Berlin: Reimer, S. 211-227