Adolar folgt dem Ruf von Harry Potter und befasst sich mit alternativen Sinnangeboten
In dieser Folge ist Adolar auf dem Weg zurück zur Erde, weil er die Harry Potter Ausstellung in München besuchen möchte. Passend dazu hat er einen Artikel der Religionswissenschaftlerin Anne Koch gefunden. Anne Koch sieht den riesigen Erfolg des Phänomens Harry Potter darin begründet, dass die Buchreihe religiöse Elemente aufgreift und uns damit alternative Sinnangebote bereitstellt.
Unsere religionshybride Gegenwart ist der ideale Nährboden für das Phänomen Harry Potter
Anne Koch erklärt die heutige Zeit als „religionshybrid“, in der rationale und spirituelle Elemente nebeneinander existieren. Während der Mensch in der rationalen Welt arbeitet und logisch handelt, gibt es auch eine spirituelle Welt, in der Aberglauben, der Glaube an Schicksal oder Schutzengel zum Ausdruck kommen.
Koch verdeutlicht, dass Menschen sich an den Sinnangeboten beider Welten bedienen. Sie stellen sich ihren eigenen Glaubens-Mix individuell zusammen – wie eine Art Flickenteppich, der aus Elementen verschiedener Glaubenssysteme besteht. Dabei können auch medial vermittelte Fantasie-Welten wie Star Wars, Herr der Ringe oder auch Harry Potter Sinnangebote zur Verfügung stellen.
Harry Potter als Retterkind und Identifikationsfigur
Ein zentraler Aspekt in Kochs Analyse ist das Motiv des „bedrohten Retterkindes“. Die Figur Harry Potter, die als Baby von dunklen Mächten bedroht und später in eine Parallelwelt eingeführt wird, wirkt wie eine moderne Heilsfigur, die den Leser:innen Orientierung und Hoffnung bietet. Diese literarische Figur eines Retterkindes hat Parallelen zu religiösen Figuren wie Moses und Jesus und verleiht Harry Potter eine mythologische Tiefe.
Die hybride Welt von Hogwarts und das Publikumskult-Phänomen
Die Geschichte, die in den Büchern entfaltet wird, verbindet die sachliche Menschenwelt und die fantastische Zauberwelt. Zwischen beiden Welten können Harry Potter und die anderen Figuren hin und her wechseln. Leser:innen erleben dieses Wechseln der Welten als eine Bestätigung und Bekräftigung ihrer hybriden Glaubenssysteme.
Das erlaubt es dem Phänomen Harry Potter, sich zu einem Publikumskult zu entwickeln. Die Geschichte bietet Leser:innen eine Art Lebensorientierung und verleiht ihnen Freiheit und Hoffnung. Die Verbindung der Leser:innen mit der Geschichte geht sogar so tief, dass sich im soziologischen Sinn eine Szene bildet, die gemeinsam Rituale wie Lesenächte und Veranstaltungen zelebriert.
Harry Potter ist längst Teil unseres kollektiven Lagers an Sinnangeboten geworden
Wenn wir Harry Potter lesen, bauen wir in uns ein Lager voller magischer Phänomene auf. Diese kleine Welt der Imagination steht für uns jederzeit zum Abruf bereit. Sie hilft uns, Ereignisse in der Welt leichter einzuordnen und zu verstehen.
Harry Potter fügt sich also in ein kollektives Repertoire ein, das auch Elemente aus Religion, Esoterik, Zivilgesellschaft und anderen Bereichen enthält. Dieses kollektive Lager an Sinnangeboten wird von den Leser:innen herangezogen, um Herausforderungen des Lebens zu deuten und zu bewältigen.
Lässt sich eine so komplexe Analyse des Harry Potter Phänomens einfach erklären?
Der Artikel von Anne Koch geht tief und ist alles andere als leicht verständlich. Dennoch versucht Adolar, die Kerngedanken des Artikels in einfachen Worten wiederzugeben. Ob ihm das gelungen ist? Hört selbst.
Adolars Aha-Moment in dieser Folge: Was unsere Religiosität angeht, sind wir Menschen ganz besonders kreativ. Wir picken uns aus großen Weltreligionen, esoterischen Lehren und sogar populären Produkten der Medienlandschaft, wie z.B. Harry Potter oder Star Wars, einzelne Elemente heraus und erschaffen uns daraus unser eigenes Glaubensprofil. Ziemlich cool!
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Ethnologische Quellen in dieser Folge
· Koch, Anne 2006: „‚Religionshybride‘ Gegenwart. Religionswissenschaftliche Analyse anhand des Harry-Potter-Phänomens“. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft 14, 2006, S. 1-23